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„Identität ist immer etwas Lebendiges“ – Karen Klessinger im Stadtlabore-Interview

Karen Klessinger, Creative Director & Head of Destination Development bei der dan pearlman Group, wünscht sich echtes Leben statt Leerstand in deutschen Innenstädten. „Innovation auf die Straße zu bringen“, ist ihre Anforderung an das Projekt „Stadtlabore für Deutschland: Leerstand und Ansiedlung“. Die Expertin für kreative Mixed-Use-Konzepte bringt sowohl strategisches als auch kreatives Know-how mit in ihre Beiratstätigkeit für das Projekt. Wir haben uns mit ihr zum strategischen Fundament für die Attraktivitätssteigerung unterhalten.

Porträtfoto Karen Klessinger, Creative Director & Head of Destination Development dan pearlman group

Städte sollen individueller werden – leichter gesagt als getan?

Leicht ist es sicher nicht. Aber eine Mentalität der Einfachheit (von Prozessen) und des Machens beweist sich im Moment als genau richtig für die Neuerfindung unserer Städte. Und ja, wieder die Individualität zu fördern, heißt natürlich mehr Sorgfalt bei der Auswahl von Konzepten, mehr Idee für die Gestaltung, mehr Vernetzung zwischen den Beteiligten. Städte brauchen vor allem ein klares Werte-Set nach denen alle Maßnahmen kuratiert werden können.

Wie können sich Städte einem ortsindividuellen Zielbild am besten nähern?

Zunächst müssen alle Beteiligten ein gemeinsames Verständnis haben, wie sich die Aufgabe von Zentren aktuell verändert. In kleineren Städten bleibt alles dicht beieinander und es gibt auch in Zukunft eine starke Durchmischung von Nahversorgung und Innenstadterlebnis. In Mittel- und Großstädten wird die Bedarfsdeckung hingegen polyzentrisch im berühmten 15min Radius um gemischte Wohnquartiere organisiert sein. Die Zentren größerer Städte brauchen also Konzepte, die es möglichst nur einmal pro Stadt gibt und nicht an jeder Straßenecke. Die Innenstädte haben die Aufgabe, im wahrsten Sinne des Wortes den Kern ihrer Stadt erlebbar zu machen.

Diese Frage nach dem Kern „Wofür stehen wir heute und in der Zukunft?“ – steht also am Anfang jedes Prozesses und kann am besten kollaborativ beantwortet werden. Wir versuchen als Teil solcher Zielbildprozesse jede Stadt zu verstehen wie ein „Wesen“ – mit all seinen Charaktereigenschaften, Erfahrungen und Merkmalen. Dafür arbeiten wir mit 3 Ebenen: Dem kollektiven Gedächtnis, der genauen Beobachtung vor Ort und den Träumen und Wünschen an die Zukunft.

Welche Grundbedingungen müssen für co-kreative Prozesse zur Attraktivitätssteigerung erfüllt sein?

Co-Kreation lebt von Vielfalt: es sollten so viele verschiedene Akteur:innen wie möglich zusammenkommen, für einen ganzheitlichen Blick auf Orte und den so wichtigen Perspektivwechsel für echte Innovation. Im Prozess entwickeln die Beteiligten dann gemeinsame Ziele, lose Beziehungen werden gestärkt oder neu geknüpft. Denn Co-Kreation heißt vor allem auch gemeinsame Verantwortung für Themen zu übernehmen, jede gute Idee braucht Verbündete.

Kollaborative Prozesse beginnen idealerweise früh in Planungsprozessen und brauchen zumindest anfänglich eine Prozessbegleitung. Wenn eine Partizipation später eingesetzt wird, um nur bereits vorhandene und fertige Planungen zu beurteilen wirkt das oft nicht sehr glaubwürdig und erzeugt automatisch eher Skepsis.

Co-Kreation heißt zunächst möglichst offene Fragen zu formulieren, wie: „Welche Angebots-Mischung braucht dieser Ort in Zukunft?“, „Wie kann das Thema Nachhaltigkeit einfließen?“, usw. Aus den Antworten und Ideen können dann recht organisch kleine Pilotprojekte oder Experimente wachsen. So tragen co-kreative Prozesse dazu bei, dass Städte selbstlernende Systeme mit ganz viel Machergeist und Mut zur Veränderung werden.

Was macht Städte zu identitätsstiftenden Orten?

Identität braucht das Erinnerungswürdige und Weitererzählbare… seien es wiederkehrende Rituale und Gemeinschaftserlebnisse oder markante räumliche Landmarken, die zu den natürlichen Treffpunkten einer Stadt werden.

Identität ist immer etwas Lebendiges – in Veränderung – und wird erst durch die Menschen vor Ort wirklich einzigartig.

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