Lübeck

"Gemeinsam mit Immobilienakteuren die Vermietungschancen freier Flächen deutlich verbessern."

Deutschlandkarte Lübeck markiert mit Zeichnung des Holstentors
© Nadine Hoffmann | www.nh-visuals.com

Jan Lindenau

Bürgermeister der Stadt Lübeck

„Als Hanse- und Hafenstadt liegt der intensive Austausch mit anderen Städten quasi in unserer DNA – und das nicht nur im Bereich des Handels. Auch in der heutigen Zeit ist es von großem Vorteil, sich gegenseitig auszutauschen, voneinander zu lernen und gemeinsam nach zukunftsweisenden Strategien und Lösungen zu suchen. Da wir bei dem Thema Innenstadtentwicklung alle vor ähnlichen Herausforderungen stehen, freuen wir uns sehr auf einen konstruktiven und fruchtbaren Austausch im Rahmen dieses Projekts.“

Porträt Jan Lindenau, Bürgermeister der Stadt Lübeck
© Stefan Schenk

Wieso wurde sich für eine Teilnahme am Projekt entschieden?

Das IFH KÖLN Projekt liefert die Chance, neue Perspektiven und Daten für die Innenstadtentwicklung zu erhalten und Antworten von morgen vorzudenken. Als eine von 14 Modellstädten übernimmt Lübeck eine deutschlandweite Vorreiterrolle. Der für das Projekt notwendige Dialog mit Eigentümern erfolgt auf neuer Basis – mit digitaler Unterstützung im Vermietungsprozess für Umnutzungen, Mietenentwicklung oder Umbauten. Das kann z.B. eine nach Geschossen getrennte Erschließung sein. So kann der Einzelhandel das EG separat mieten. Uns war die flexible Gestaltung des Projektes wichtig, denn nicht alle 14 Modellstädte stehen vor denselben Herausforderungen. In Lübeck ist aufgrund der jährlichen Einzelhandelsbegehung eine umfangreiche Datenbank vorhanden. Auch gibt es bereits das Gewerbeimmobilienportal und seit März 2020 eine Planstelle mit Projektleitung „Innenstadtentwicklung und Leerstandsmanagement“. Alles Argumente, in das Projekt einzusteigen und in den Dialog mit den Partnerstädten zu treten und voneinander zu lernen.

Was sind die größten Herausforderungen vor Ort in Bezug auf Leerstands- und Ansiedlungsmanagement?

Lübecks Altstadtinsel beherbergt ein Fünftel aller Einzelhandelsflächen. Wir haben durch unser jährliches Monitoring einen Rückgang der Flächen von 125.000 qm auf mittlerweile 110.000 qm ermittelt. Die EzH-Leerstandsquote schwankt zwischen 11 und 14 Prozent, Immobilien sind zum Teil nicht mehr marktgängig, es gibt Investitionsbedarf. Die Sichtbarkeit in exponierter Lage ist ein Thema, das wir aktiv auf dem Immobiliengipfel und in den Quartiersgesprächen mit Eigentümern und Gewerbetreibenden ansprechen und Lösungen erarbeiten. Ein hoher Leidensdruck entstand durch die Auswirkungen der Coronapandemie ab dem ersten Lockdown 2020: Lübecks Handel war nicht vorbereitet auf Multi-Channel-Vertrieb, der Onlinehandel ist über die Jahre stark gewachsen und durch die Pandemie fast über Nacht explodiert. Das Programm des OZG mit Fokus auf digitales Ansiedlungsmanagement im Stadtlabor-Format bietet interessante Innovationen, zum Beispiel, indem Immobilieninformationen mit Daten aus der Passantenfrequenzmessung angereichert werden.

Generell wollen wir die Innenstadt als sozialen Erlebnisraum neu denken und entwickeln. Der Strukturwandel ist vollem Gange, die Plattform schafft neue Perspektiven und Auswertungsmöglichkeiten. Gleichzeitig wollen wir an der Schaffung von neuen Standards mitwirken: mit Leerstandsmeldungen, schnellerer Reaktionszeit und der Einbindung von vorhandenen Schnittstellen. Wir erwarten mehr Nähe zu den Eigentümern und besseren Austausch über Inhalte aufgrund erhöhter Markttransparenz.

Woran arbeitet die Modellstadt im Projekt aktuell konkret?

Wir wollen eigene Schwerpunkte, auch mit wissenschaftlicher Unterstützung der TH Lübeck, setzen durch

  • Integration der Laser-Passantenfrequenzmessung. Wir messen seit 17. Juni 2021 an zehn Standorten in der Innenstadt die Passantenfrequenz und haben seitdem über 18 Millionen Bewegungen erfasst. Frequenz ist noch kein Umsatz, aber das notwendige Potenzial dafür. Auf wissenschaftlicher Basis wird eine Modellierung von Einflussfaktoren auf die Frequenz vorgenommen: Wetter, Events, verkaufsoffene Sonntage, Lockdowns, Weihnachtsmarkt, Demonstrationen.
  • Aufbau eines 3D-Modells der Innenstadt als Ergänzung zur IMMOVATIV-Datenbank.
  • Verknüpfung mit Daten der Begehungen des eigenen Einzelhandelsmonitors.
  • Vertiefung der Zusammenarbeit mit Eigentümern durch Verknüpfung mit dem jährlichen „Immobiliengipfel“ und Quartiersgesprächen auf Straßenebene mit Eigentümern und Gewerbetreibenden.

Welche Best Practices zur Vitalisierung gibt es schon vor Ort? Welche Erfahrungen wurden hierbei gemacht?

Allgemeine Basis ist der Rahmenplan Innenstadt, der mit breiter Beteiligung aller Stakeholder erstellt wurde. Er definiert die Innenstadt als Ort der Kommunikation und Begegnung – von Wohnen, Arbeiten, Shopping – und sieht vielfältige Erlebnisse für Bürger:innen und Tourist:innen in den Bereichen Kultur, Gastronomie und soziale Kontakte im historischen Ambiente vor.

Als Leuchtturm-Projekt gilt das ehemalige Karstadt-Warenhaus. Die Hansestadt wird es auf Initiative des Bürgermeisters Jan Lindenau erwerben und mit einem „Mixed Use“-Konzept auf über 8.000 qm Raum für die vier Altstadtgymnasien, die drei Hochschulen sowie für Start-ups und Pop-up-Stores schaffen. Positiv sind auch Finanzhilfen gewesen: Es sind seit 1950 ca. 160 Mio. EUR an Städtebaufördermitteln und von der Possehl-Stiftung über 390 Mio. EUR an Fördermitteln geflossen – zusammen also 550 Mio. EUR plus private Investitionen. Aktuelle Förderprogramme werden ebenfalls genutzt: Neben dem „Stadtlabor“-Projekt auch das Bundesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte“ mit einer vorgesehenen Fördersumme von knapp 5 Mio. EUR sowie auf Landesebene das „Innenstadtprogramm“ mit einer Förderung von 625.000 EUR.

Erfolgreich waren Projekte zur Leerstandsaktivierung durch Zwischennutzungen: Die Musikhochschule mietete Proberäume in einem ehemaligen großen Modehaus an, die Lübeck Travemünde Marketing (LTM) entwickelte „Rosemaries Reise“ vor Weihnachten und erzählte in zehn Schaufenstern eine Fabel, die mit Schaufenstergestalter:innen umgesetzt wurde. Erfolgreich waren auch zahlreiche Kunstprojekte im Leerstand aus dem bundesweit beachteten Programm „Kulturfunke“ der Possehl-Stiftung (z.B. „Out for Arts“ im Oktober 2020 mit 10 Künstler:innen an 12 Orten). In einigen Leerständen sorgten Pop-op-Stores für Aufmerksamkeit und belebten die Flächen („Snabbelsnuut“ Lichthof, „Einmalladen“ Mühlenstraße, „Goldener Hirsch“ Hüxstraße, „Fashion Exchange“ FAEX im Haerder-Center).  Im öffentlichen Raum stieß die „Komplimentewerkstatt“ der LTM mit dem besonderen Highlight des „Komplimentegartens“ auf dem historischen Koberg auf positive Resonanz. Mit einem Labyrinth aus Hochbeeten und einer Pop-up-Bühne mit Veranstaltungen wurde über den Sommer 2021 der Altstadtplatz belebt.

Besuchern laufen am Verkaufsoffener Sonntag am 05.10.2014 durch die Breite Strasse in Lübeck.
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